Neukaledonien – November 2019

Das Ziel unseres zweimonatigen Segelt?rns war das zu Frankreich geh?rende Neukaledonien. Die Inselgruppe geh?rt wie Fidschi zu Melanesien und die schwarze Urbev?lkerung wird als Kanaken bezeichnet (ja, die hei?en wirklich so). Vier Tage nachdem wir Fidschi verlassen hatten, erreichten wir die Ile des Pins (dt.: Pinien-Insel).

Ile des Pins
Wei?er Sand, türkises Wasser, Palmen und mal was Neues: Nadelb?ume

Als Willkommensgeschenk lie? Neptun uns 30 Seemeilen vor der Küste einen riesigen Gelbflossen-Thunfisch fangen. Natürlich biss der Thunfisch wieder in den frühen Morgenstunden an, doch dieses Mal war der Fang echt aufregend. Wir vermuteten schon, dass es ein riesiger Fisch sein musste, denn Laurent schaffte es nicht, die Angelschnur einzuholen. Die Angel bog sich so derma?en, dass wir Angst hatten, die Angelrute würde brechen oder die Schnur rei?en. Wir waren mit einer Geschwindigkeit von 6,5 Knoten unterwegs und mussten das Boot auf dem offenen Meer anhalten, um unseren Fang heranziehen zu k?nnen. Doch auch dann schafften wir es nicht, den Fisch aus dem Wasser zu heben, weil er noch lebte und sich vehement dagegen wehrte. Und so hielt ich das zappelnde, ca. 50 kg schwere Biest mit Mühe und Not mit dem Fischhaken über der Wasseroberfl?che und Laurent krabbelte mit einem Messer bewaffnet zu ihm herunter und erdolchte in im Meer. Anschlie?end hievten wir ihn mithilfe eines Seils und einer Winde in das Cockpit. Puh, was für eine Aktion! Nach einigen Stunden des Ausnehmens und Filettierens war dann der ganze Kühlschrank voller Thunfisch.

Unser dritter und gr??ter Thunfisch

Der Name Ile des Pins (engl.: pine island) geht auf berühmten englischen Seefahrer James Cook aus dem 18. Jhd. zurück, der für seine drei Pazifikreisen und für die Entdeckung vieler Südseeinseln bekannt ist. Von Neuseeland bis Tahiti, überall gibt es Cook-Buchten und Cook-Seewege und auch die Cookinseln, zu denen Palmerston geh?rt, sind nach ihm benannt. Als er die heutige Ile des Pins entdeckte, fielen ihm die vielen für die Südsee ungew?hnlichen Nadelb?ume auf. F?lschlicherwiese bezeichnete er sie als Pinien, obwohl es sich bei den B?umen um Araukarien handelt. Ich muss zugeben, dass ich nach vier Monaten in der Südsee langsam von wei?en Sandstr?nden, Palmen und türkisem Wasser übers?ttigt war. Dieser Kontrast von Nadelb?umen neben Kokospalmen faszinierte mich dann aber doch wieder. Wir verbrachten einige Tage in der Bucht Baie de Kuto im Süden der Insel. Das Neukaledonische Barriereriff, welches die Hauptinsel Grande Terre und die südlich davon gelegene Ile des Pins umschlie?t, geh?rt zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist nach dem australischen Great Barrier Reef das zweitgr??te Doppelbarriereriff der Welt. Besonders auff?llig in der Baie de Kuto waren die vielen Schildkr?ten. Schon auf unserer ersten Schnorcheltour begegneten mir zwei und st?ndig tummelten sie sich um das Boot herum. Mehrmals t?glich h?rten wir das charakteristische Prusten, das eine Schildkr?te ausst??t, wenn sie aus dem Wasser auftaucht, und dann entdeckten wir sie nur wenige Meter vom Boot entfernt. Au?erdem besuchte uns zweimal, jeweils am Morgen, ein Dugong. Wir r?tselten lange, was für ein Tier da um unser Boot herumschwamm. War es ein kleiner Wal? Eine Seekuh? Ein komischer Delphin? Weder noch, es war ein Seeschwein – ein passender Name für dieses skurrile Tier.

Ankunft in der Baie de Kuto
Einer unserer vielen Besucher

In der Nachbarbucht Baie de Kanuméra gab es ein Resort am Strand. Wir freundeten uns mit dem Strandwart an (indem wir ihm ein gro?es Stück Thunfisch schenkten) und durften deswegen jeden Tag in der Strandbar chillen und das WLAN nutzen. Die Kanuméra-Bucht mit dem gro?en Fels in der Mitte gilt als besonders sch?ner Schnorchelort. Auch hier wimmelte es vor bunten Korallen, verschiedensten Rifffischen und Schildkr?ten. Wir hatten besonderes Glück und hatten die Gelegenheit, die Fortpflanzung von Korallen – die sogenannte Korallenblüte – mitzuerleben. Einmal im Jahr, und zwar ein paar N?chte nach dem ersten Vollmond des Sommers, wird das Wasser trüb und an manchen Stellen rosarot. Die Korallenpolypen geben in dieser Zeit gleichzeitig Spermien und Eizellen ab und es findet eine Befruchtung im Wasser statt. Dabei entstehen Larven, die für Tage bis Wochen im Wasser treiben und sich schlie?lich an anderen Stellen ansiedeln. Der Kontrast zwischen dem türkisen und roten Wasser und dem wei?en Sand war wirklich sch?n!

Baie de Kanuméra
Die Korallenblüte – ein seltenes Ph?nomen

Wir liehen uns einen Roller aus und erkundeten einen Tag lang die Insel. Highlight war das Piscine naturelle d’Oro (dt.: natürliches Schwimmbecken). Eigentlich eine Salzwasserbucht, wirkt sie wegen ihrer von Felsen geschützten Lage wie ein Schwimmbecken, in dem man in kristallklarem Wasser schwimmen und schnorcheln kann. Um dorthin zu gelangen, spaziert man durch das badewannenwarme Wasser eines Salzwasserflusses mit wei?em Sand, welcher mit Araukarien ges?umt ist.

Spritztour mit dem Roller. Teile der Insel erinnerten an den australischen Busch.
Ansonsten ist Neukaledonien für seine Araukarien bekannt.
Spaziergang durch einen warmen Salwasserfluss
Letzte Tage am Südsee-Traumstrand

Von der Ile des Pins segelten wir 18 h über Nacht nach Grande Terre zur Hauptstadt Noumea. Hier verbrachte ich nur einen Tag, also habe ich nicht viel von der Stadt gesehen, aber mein erster Eindruck war nicht besonders gut. Es erinnerte mich an meinen ersten Eindruck von Papetee, der Hauptstadt von Tahiti. Auch dort hatte mich die Mischung aus Südsee-Flair und Europa verwirrt. Aber nach vier Monaten in der Südsee, in denen ich verschiedenste Ecken von Polynesien und Melanesien gesehen und vor allem auf Fidschi die traditionelle melanesische Lebensweise kennen gelernt hatte, wirkte diese moderne, funktionelle und sterile Stadt noch falscher auf mich. Auch empfand ich die Stimmung zwischen den Kanaken und den Franzosen als angespannter als zwischen den Polynesiern und Franzosen auf Tahiti.

Die Franzosen nahmen Neukaledonien 1853 in Besitz. Wie die Briten in Australien nutzten die Franzosen die Inselgruppe bis 1922 als Strafkolonie. Im Jahr 1946 wurde Neukaledonien zum ?bersee-Territorium erkl?rt und alle Bewohner erhielten franz?sische Bürgerrechte. Doch die Kanaken wurden gegenüber den Einwanderern sozial benachteiligt, sodass ab den 1960er Jahren eine Unabh?ngigkeitsbewegung entstand. Von 1984 bis 1988 kam es zu Unruhen mit über 70 Toten. Eine Geiselnahme von franz?sischen Polizisten durch kanakische Separatisten im Jahr 1988 wurde durch franz?sische Spezialeinheiten beendet. Im gleichen Jahr wurde entschieden, 1998 ein Unabh?ngigkeitsreferendum abzuhalten, was jedoch nochmals um 20 Jahre verschoben wurde und schlie?lich am 4. November 2018 stattfand. 56,4% der W?hler stimmten gegen eine Unabh?ngigkeit. Allerdings waren unter den 169.000 W?hlern 92.000 nicht-kanakische und 77.000 kanakische W?hler (neben Kanaken und Franzosen besteht die Bev?lkerung Neukaledoniens zu ca. 15% aus Wallisern und Futunern, Tahitianern, Indonesiern und Vietnamesen). Im Süden, wo die meisten Bewohner europ?ischer Abstammung sind, sogenannte Caldoches, überwog die Ablehnung der Unabh?ngigkeit. Dagegen stimmten die W?hler im Norden und auf den kleineren Inseln, wo mehrheitlich Kanaken leben, überwiegend für eine Unabh?ngigkeit. Ich habe mit Laurent oft über die Unabh?ngigkeit der franz?sischen ?berseeterritorien diskutiert und es ist sicher ein komplexes Thema. Er argumentierte im Fall von Neukaledonien mit dem h?heren Lebensstandard durch die Bindung an Frankreich, vor allem in der Bildung und der Gesundheitsversorgung. Erst 2016 wurde ein neues, hochmodernes Krankenhaus in Noumea er?ffnet, mit europ?ischen Darlehen finanziert. Auch wirtschaftlich braucht Neukaledonien europi?ische Unterstützung. Ein Drittel des Bruttoinlandproduktes besteht aus finanziellen Zuschüssen aus Frankreich. Ein bedeutender wirtschaftlicher Zweig ist allerdings der Abbau von Nickel. Die Nickel-Vorkommen in Neukaledonien stellen knapp 9% der Nickel-Reserven weltweit dar und natürlich befinden sich s?mtliche Nickelwerke in der Hand der wei?en Caldoches. Die Unabh?ngigkeitsgegner haben also nicht nur das Wohl der Kanaken im Sinn. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der kanakische Taxifahrer, der mich zum Flughafen fuhr. Da ich mich auf Franz?sisch von Laurent verabschiedet hatte, dachte er anfangs, ich sei Franz?sin und war ziemlich kühl. Als er dann jedoch erfuhr, dass ich aus Deutschland kam, wechselte sich seine Haltung sofort. Er erz?hlte mir, dass er von einer der Inseln im Norden stammte, wo auch seine Familie lebte. Allerdings g?be es dort keine Jobs. Mit Landwirtschaft k?nne man den Lebensunterhalt nicht verdienen und deswegen lebte er in Noumea und sah seine Familie nur ein paar Mal im Jahr. Der Job als Taxifahrer sei schwer zu bekommen gewesen, den würde er nicht aufgeben, obwohl er es nicht mochte, „arrogante“ Franzosen oder Amerikaner durch die Gegend zu fahren. Er beklagte, dass die Franzosen alle Gesch?fte und Immobilien besitzen würden und dass die jungen Kanaken ihre Stammessprachen verlernen würden. Tats?chlich fand eine Volksz?hlung aus dem Jahr 2004 heraus, dass unter den über 14-j?hrigen Einwohnern 97% Franz?sisch sprechen, lesen und schreiben konnten. 37% konnten eine der ca. 28 Kanak-Sprachen zumindest sprechen (aber nicht unbedingt lesen und schreiben) und 59% hatten keinerlei Kenntnisse einer einheimischen Sprache.

Neukaledonien ist ein wundersch?ner Fleck dieser Erde, doch leider bleibt mir vor allem die angespannte Athmosph?re zwischen den Kanaken und den Caldoches in Erinnerung. Die wei?en Caldoches füllten als Touristen die Resorts auf der Ile des Pins, sa?en in Noumea auf ihren Segelyachten oder amüsierten sich in hippen Kava-Bars. Die Kanaken fand man in eher schlechter bezahlten Jobs oder in gro?en Gruppen aus arbeitslosen jungen M?nnern. Nie wurde ich so freundlich und offen angel?chelt und gegrü?t wie auf den anderen Pazifikinseln.

Am 26. November 2019 flog ich zurück nach Deutschland. Die Reisezeit von 33 h setzte sich zusammen aus 2h 30 min Flug von Noumea nach Brisbane, 14 h 30 min von Brisbane nach Abu Dhabi und 7 h von Abu Dhabi nach Frankfurt plus Transferzeiten. Vom Boot bis zur Haustür meines Elternhauses brauchte ich 44 h. Dabei beanspruchte die Deutsche Bahn 7 h Reisezeit für sich, natürlich inklusive 1 h Versp?tung. Insgesamt war ich 10 Monate und 17 Tage auf Reise gewesen. Der Kontrast bei meiner Rückkehr h?tte nicht gr??er sein k?nnen. Ich verlie? bei 27°C und blauem Himmel mit Sonnenschein die Marina von Noumea mit hunderten Segelbooten und stolperte um 22 Uhr abends im Dunkeln bei (immerhin) 7°C in das Haus meiner Eltern. Zum Glück hatte gerade die Vorweihnachtszeit begonnen, was mir in der kalten und dunklen Zeit wenigstens etwas Trost verschaffte

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