Die n?chste Station auf unserem Segelt?rn über den Südpazifik hie? Fidschi. Der Inselstaat Fidschi besteht aus den beiden Hauptinseln Viti Levu und Vanua Levu und 330 kleineren Inseln. Viti Levu mit der Hauptstadt Suva gilt als die modernere und touristischere Insel und Vanua Levu als die ursprünglichere, ruhigere Insel. Unser erstes Ziel war die Stadt Savusavu auf Vanua Levu. Auf der viert?gigen ?berfahrt von Tonga nach Savusavu hatte ich Geburtstag und hatte mir einen Thunfisch gewünscht. Ich war mittlerweile etwas genervt von Laurent’s vier gleichzeitig ausgelegten Angelschnuren. Ein Grund dafür war, dass die Fische üblicherweise in der Morgend?mmerung anbissen, d.h. zwischen 5 und 6 Uhr morgens. Fingen wir einen Fisch, wurden wir also meist noch im Dunkeln vom Zurren der Angelschnur geweckt und mussten dann den riesigen Fisch an Bord zerren. Das anschlie?ende Ausnehmen und Zerteilen dauerte 1 bis 2 Stunden und jedes Mal war das Cockpit danach voller Fischblut und roch auch stundenlang nach dem Putzen noch nach Fisch. So wollte ich meinen Geburtstag nicht beginnen. Ich konnte Laurent aber nicht davon abbringen, seine vier Leinen auszuwerfen und als Kompromiss versprach er mir zu meinem Geburtstag einen Thunfisch zu fangen. Und tats?chlich fingen wir, zwar mit etwas Versp?tung, am (sehr frühen) Morgen nach meinem Geburtstag einen mittelgro?en Gelbflossen-Thunfisch. Die Vorfreude auf frisches Sashimi lie? mich sogar die frühe Morgenstunde vergessen.

Fidschi geh?rt, im Gegensatz zu den bisher auf unserer Reise besuchten Pazifikinseln, nicht mehr zu Polynesien, sondern zu Melanesien. Der Begriff beruht auf dem Wort melas (griech.: schwarz), da die zu Melanesien geh?renden Inselgruppen von dunkelh?utigen Menschen besiedelt wurden. Neben der Hauptbev?lkerungsgruppe der Melanesier besteht die fidschianische Bev?lkerung zu knapp 40% aus Indern. Wie viele Inseln im Südpazifik war Fidschi früher britische Kolonie und die britische Kolonialmacht rekrutierte Ende des 19. Jahrhunderts Arbeiter aus Indien. Dieser indische Einfluss war in Savusavu sofort spürbar. Indische Gesch?fte und Restaurants s?umten die Stra?en; Taxifahrer mit Turban fuhren Automodelle, die wir noch nie gesehen hatten; Stra?enverk?ufer verkauften Rotis und exotische indische Sü?igkeiten; auf den M?rkten verstr?mten Gewürze wie Curry, Kurkuma, Kardamom, Kreuzkümmel und Chilli ihren starken Geruch und überall h?rten wir Englisch mit dem markanten indischen Akzent. Ende Oktober markierte das Ende der Segelsaison, da die Hurrikansaison im November beginnen würde. Wir waren deswegen fast die einzigen Segler in Savusavu und leider brachte die beginnende Hurrikansaison viel Regen. Wegen des Regens blieben wir l?nger in Savusavu als geplant, denn die Gew?sser von Fidschi gelten unter Seglern wegen ihrer vielen unerwarteten Korallenbl?cke als gef?hrlich und man sollte m?glichst bei Sonnenlicht segeln, um die Korallen rechtzeitig zu erkennen. Wir fühlten uns aber sehr wohl in Savusavu. Die Menschen waren sehr freundlich, überall wurden wir mit einem herzlichen „Bula!“ (dt.: Hallo) begrü?t und wir a?en viele Currys, u.a. selbstgemachtes Thunfisch-Curry in verschiedensten Variationen. Wir erledigten einige Bootsreparaturen und verarbeiteten einen vorher gefangenen Mahi Mahi und den Thunfisch zu Fischkonserven.



Sobald das Wetter es zulie?, segelten wir weiter und zwar westw?rts die Küste von Vanua Levu entlang, zur Insel Yadua und dann durch die Bligh-Gew?sser zu den n?rdlichen Yasawa-Inseln. Von dort ging es dann die Inselkette der Yasawas entlang Richtung Süden nach Viti Levu. Die Bligh-Gew?sser sind nach dem Kapit?n William Bligh benannt, der hier nach der Meuterei auf der „HMS Bounty“ im Jahr 1789 mit 18 seiner M?nner in einer Barkasse entlang kam. Die Meuterei passierte in Tonga und Kapit?n Bligh war auf dem Weg nach Kupang in Indonesien, wofür er mit der Barkasse 47 Tage brauchte. Aus Angst vor Kannabalismus machte er auf keiner der fidschianischen Inseln Halt. Wir folgten also seiner Route und besuchten die Insel Yadua. Wir ankerten in zwei verschiedenen Buchten und waren beide Male das einzige Boot in der Bucht. Von der Vakasa Bay an der Nordküste von Yadua wanderten wir eine halbe Stunde lang nach Denimanu an der Ostküste, dem einzigen Dorf der Insel. Am Eingang des Dorfes standen ein paar neuere H?user, nachdem dieser Teil des Dorfes 2012 von einem Hurrikan zerst?rt worden war. Der Rest des Dorfes bestand aus ?lteren Wellblechh?usern und z.T. noch aus traditionellen Schilfhütten.




Entsprechend der fidschianischen Tradition des sevusevu suchten wir den ratu (engl.: chief, dt.: Oberhaupt) des Dorfes auf, um im Dorf akzeptiert zu werden. Sevusevu ist zentraler Bestandteil der fidschianischen Kultur, es dient Alltagsritualen, sozialen Zusammenkünften, Heilungszeremonien und Gemeindetreffen. Wenn Besucher in ein Dorf kommen, wird auch von ihnen ein sevusevu erwartet. Konkret bedeutet dies, dass man als Besucher dem chief des Dorfes eine getrocknete Kava-Wurzel als Geschenk überbringt und es wird tats?chlich als Affront angesehen, wenn man ohne Kava in einem fidschianischen Dorf auftaucht. Wir fragten also nach chief Johnny und wurden zu seiner Hütte geleitet. Nachdem wir ihm das sevusevu überreicht hatten, wurden wir auf ein Mittagessen aus Kochbanane in Kokosmilch eingeladen. Johnny war nicht sehr gespr?chig und die Unterhaltung verlief etwas schleppend, bis wir das Gespr?ch auf Rugby lenkten. Es lief gerade die Rugby Weltmeisterschaft in Japan und Fidschi war leider in der Vorrunde ausgeschieden. Trotzdem war die Rugby WM ein allgegenw?rtiges Thema und überall sah man M?nner vor Fernsehern hocken und die Spiele verfolgen.

Nach dem Mittag wurden wir dazu eingeladen, das Dorf zu besichtigen: „Vielen Dank für eurer sevusevu. Ihr seid in Denimanu willkommen und dürft euch nun im Dorf umschauen!“. Unsere Sonnenhüte lie?en wir bei chief Johnny, weil Kopfbedeckungen in der fidschianischen Kultur als unh?flich gelten. Wir gelangten zur Schule am anderen Ende von Denimanu und sofort kam ein Lehrer heraus und lud uns auf die Veranda des Schulgeb?udes ein. Es war Freitagnachmittag, die Kinder hatten Zeit zur freien sportlichen Besch?ftigung und tobten um uns herum oder standen ehrfürchtig im Türrahmen und beobachteten uns. Sofort wurden ein Tisch und Stühle herangeschafft, ein M?dchen wurde nach Hause geschickt, um uns etwas zu essen zu holen und es wurde nach dem Mann im Dorf geschickt, der für kurze Zeit in Deutschland gelebt hatte. Diese VIP-Behandlung war uns natürlich wieder unangenehm, aber wir verbrachten einen sehr sch?nen Nachmittag mit dem Schuldirektor und dem Mann, der in Deutschland gewesen war. Allein sein Aufenthalt in Europa machte ihn zu einer lokalen Authorit?t. Es wurden gebratener Maniok und Papaya kredenzt und wir tranken aus Kokosnüssen. Die M?nner befragten uns zu unserem Leben auf dem Segelboot und wir erfuhren über das Leben auf Yadua.


Auf dem Rückweg zur Hütte von chief Johnny kamen wir an der Gemeindehalle vorbei. Wieder kam sofort ein junger Mann heraus und lud uns ein, hineinzukommen. Drinnen wurde gerade ein informelles sevusevu abgehalten. ?hnlich wie in Tonga sa?en auch hier die M?nner um eine Kavaschale herum, jedoch war die Atmosph?re entspannter. Manche lagen auf dem Boden oder rauchten. In Fidschi nennt man die gro?e holzgeschnitzte Kavaschale tanoa und die Kokosnussschalen, aus denen man trinkt, hei?en bilo. ?blicherweise schenkt ein Mann aus, der die ganze Zeremonie leitet, welche viel mit Klatschen zu tun. Man klatscht kr?ftig mit hohlen H?nden ineinander, sodass ein lautes dumpfes Ger?usch entsteht – dieses Klatschen nennt man cobo. Je nachdem, wer an welcher Stelle trinkt, cobo-t man 1 bis 3 Mal jeweils vor und nach dem Trinken. Ich habe das Prinzip bis zuletzt nicht verstanden, aber immer mal wieder anerkennende Blicke bekommen, wenn ich es zuf?llig einmal richtig gemacht habe.


Von Yadua segelten wir weiter nach Yasawa-i-Rawa, der n?rdlichsten der Yasawa-Inseln. Die Yasawas sind ein Archipel aus Vulkaninseln und Korallenatollen mit nur vereinzelten D?rfern. Hier gibt es ein paar Touristen-Resorts, aber keine Gesch?fte, Restaurants oder Geldautomaten. Das Boot sollte also gut mit Lebensmitteln gefüllt sein, vor allem wenn man sich beim Segeln Zeit lassen will. Hier trafen wir zum ersten Mal in Fidschi auf andere Segler. Diese erz?hlten uns von der kleinen Farm einer fidschianischen Familie auf der Insel Matacawa Levu, die Gemüse verkaufte. Wir machten uns mit dem Dinghy auf den Weg und gerieten unterwegs in einen gro?en Bimssteinteppich, der fast unseren Au?enbordmotor zerst?rte. Wir waren in Fidschi schon ?fter auf Bimsstein im Wasser gesto?en, aber nicht in dem Umfang wie in der Bucht von Matacawa Levu. Anfang August 2019 war ein Unterwasservulkan vor Tonga ausgebrochen und der Bimsstein war mittlerweile mit der Meeresstr?mung westw?rts nach Fidschi getrieben. Bei der Farm angekommen, folgten wir der Eigentümerin für gut 10 Minuten durch das Dickicht, bis wir auf ein paar Beete stie?en. Hier ernteten wir Pak Choi, Auberginen, Pilze, Bohnen, und Salat und mit einer Machete holte die Eigentümerin uns eine Bananenstaude vom Baum.




Auf den Yasawas besuchten wir das Dorf Somosomo auf der Insel Naviti. Auch hier wurden wir wieder wie Stars behandelt. Wir waren mittlerweile dazu übergegangen, Laurent mit seinem früheren Spitznamen „Lolo“ vorzustellen, weil die Fidschianer seinen franz?sischen Namen nicht aussprechen konnten. Wir blieben drei Tage in Somosomo und es dauerte nicht lange, bis uns jeder Dorfbewohner kannte. Gingen wir durch das Dorf, schallte es aus allen Ecken „Anna!“ Lolo!“. Somomsomo hatte einen Kindergarten, aber die Grundschule und die weiterführende Schule waren auf einer anderen Insel. T?glich wurden die Kinder von einem Schulboot abgeholt. Die Bewohner des Dorfes lebten vor allem von Fischfang und dem Verkauf von Kokosnüssen. Mehrmals die Woche fuhren die jungen M?nner des Dorfes mit einem kleinen Boot 40 Minuten über das offene Meer nach Viti Levu, um dort Fische und Kokosnüsse auf dem Markt in der gro?en Stadt Lautoka zu verkaufen und ihrerseits Lebensmittel zu kaufen. Es gab nur sporadisch Elektrizit?t und nicht jeder Haushalt hatte einen Kühlschrank. Wir wurden gebeten, ein tiefgekühltes Huhn in unserem Kühlschrank aufzubewahren, welches anl?sslich eines Dorffestes zubereitet wurde, zu dem wir natürlich auch eingeladen wurden.




Wir besuchten den Kindergarten des Dorfes, wo wir mit den Kindern bastelten und ihnen „Guten Tag“ auf Deutsch und Franz?sisch beibrachten. Danach h?rten wir ?fter „Bojuu, Anna! Bojuu, Lolo!“ durch das Dorf schallen. (= frz.: bonjour). Auch hier gab es die klassische Geschlechteraufteilung. Die kleinen M?dchen waren absolut fasziniert von mir und meinen blonden Haaren, hingen an mir und schmückten mich mit selbstgemachten Muschelschmuck und die Jungs dr?ngten sich um Laurent, wenn er sich an den „M?nneraufgaben“ im Dorf beteiligte, zum Beispiel der Reparatur eines Bootes. Einmal verabredete ich mit einer Frau aus dem Dorf, dass ich zu einer bestimmten Uhrzeit bei ihr zuhause vorbei kommen würde, damit sie Filme von unserer externen Festplatte kopieren k?nnte. Sie fragte: „Ist dein Ehemann damit einverstanden, dass du kommst?“ Hmm. Sollte ich ihr erkl?ren, dass Laurent nicht mein Ehemann war und noch viel wichtiger, dass er nicht bestimmte, mit wem ich mich wann verabredete? Ich dachte mir, dass es nicht viel Effekt auf die Frau haben würde. Sie würde h?chstens denken, ‚Was für verrückte und unanst?ndige Europ?er‘. Ich antwortete zuerst ausweichend: „Jaja, ist okay“. Das reichte ihr nicht. Sie hakte noch einmal nach: „Ist er wirklich einverstanden?“. Sie würde nichts anderes als ein ja gelten lassen. „Ja, ist er.“ Oh Mann, ich fühlte mich schlecht und war sehr dankbar, in Europa aufgewachsen zu sein.



Als Dank für die uns entgegengebrachte Gastfreundschaft gaben wir den Dorfbewohnern, was wir konnten. Ich schenkte dem Mitte 50-j?hrigen Bob die Weitsichtbrille, die meine Mama in Peru vergessen hatte und Laurent half mit seinen Werkzeugen aus und überlie? den M?nnern bei ihrer Bootsreparatur seine Reste von Glasfasermatten und Epoxidharz.

Unser letzter Stopp auf den Yasawas war eine Bucht am anderen Ende der Insel Naviti nahe der Insel Drawaqa. Der Meeresengpass zwischen Naviti und Drawaqa gilt als beliebte Stelle für Mantarochen. Die Mantas schwimmen in dem engen Kanal entgegen der starken Str?mung und lassen sich Plankton ins Maul treiben. Wegen der Str?mung sind hier auch besonders sch?ne Korallen, sodass das Schnorcheln hier besonders Spa? gemacht hat. Wir fuhren mit den Dinghy an das ?u?ere Ende des Engpasses, sprangen ins Wasser und lie?en uns mit der Str?mung durch den Kanal treiben. Pl?tzlich sahen wir einen gro?en Mantarochen majest?tisch durch das Wasser gleiten! Gegen die Str?mung konnten wir aber nicht schnell genug schwimmen, um ihm zu folgen und so zogen wir uns abwechselnd an einem Seil hinter dem Dinghy neben dem Rochen her. Das war echt toll. In dieser Bucht lernten wir Humberto kennen, einen Holl?nder, der seit 30 Jahren auf Segelbooten lebt. Sein aktuelles Boot, ein gro?er Katamaran, hat er zusammen mit seiner Mutter gekauft. Die damals 89-J?hrige hatte ihren gesamten Besitz einschlie?lich ihrer Wohnung verkauft, um den Katamaran mit zu finanzieren und Humberto hatte ihn anschlie?end altersgerecht umgebaut. Er hatte sogar einen Lift eingebaut, um seine Mutter an und von Bord zu heben. Sie segelten 3 Jahre lang miteinander um die Welt, bis die Mutter im Alter von 92 Jahren verstarb. Besonders sch?n fand‘ ich das Foto im Salon, dass die ?ltere Dame mit Rollator an einem wei?en Sandstrand unter Palmen zeigte. Wir hatten einen sehr sch?nen Abend an Bord von Humberto’s Katamaran. Au?er Laurent und mir waren noch ein Seglerpaar aus Neuseeland und zwei US-Amerikanerinnen eingeladen. Es gab gebrateten Fisch und Rum mit Limetten und Humberto gab eine Abenteuergeschichte nach der n?chsten zum Besten.


Mittlerweile war es Mitte November und es wurde Zeit, weiter nach Neukaledonien zu segeln. Zum einen wegen der beginnenden Hurrikansaison und zum andern, weil mein Flug zurück nach Deutschland Ende November von Neukaledonien gehen würde. Wir segelten nach Viti Levu zur Vuda Marina, um dort die Ausreiseformalit?ten zu erledigen und um auf dem Markt in Lautoka unsere Vorr?te aufzufüllen. Die letzte Segeletappe nach Noumea erstreckte sich über 680 Seemeilen.