K?nigreich Tonga – Oktober 2019

Die Segeletappe von Niue nach Tonga war mit 250 Seemeilen der kürzeste Abschnitt unserer Reise. Trotzdem ben?tigten wir drei Kalendertage, weil wir (ich zum zweiten Mal) die Datumsgrenze überschritten. Diesmal aber in die andere Richtung, sodass wir einen Tag „verloren“.

Das Inselparadies von Vava’u

Das K?nigreich Tonga wird durch mehrere Inselgruppen gebildet. Wir segelten nach Vava’u, eine Inselgruppe im Norden des Instelstaates. Vava’u besteht aus der gro?en Insel Utu Vava’u mit der Hauptstadt Neiafu und etwa 50 kleineren Inseln, allesamt Koralleninseln – sowohl angehobene Kalksteininseln als auch flache Atolle. Eine polynesische Legende besagt, dass Vava’u von dem Gott Maui erschaffen wurde, als er beim Fischen den Meeresboden mit der Angel erwischte und hochzog. Beim Anblick der dicht bewachsenen, grünen Inseln mit ihren idyllischen Buchten und blauen Lagunen fühlte ich mich tats?chlich wie in einer polynesischen Sage. Einige der Inseln sind auch komplett unbewohnt.

Robinson Crusoe – Feeling
Kokosnüsse frisch von der Palme

In Neiafu mussten wir zun?chst die Einreiseformalit?ten erledigen und deckten uns dann auf dem gro?en Markt der Stadt mit dringend ben?tigten Lebensmitteln ein. Wir waren bisher 10 Tage auf See gewesen, hatten auf Palmerston einen Teil der Vorr?te unserer Gastfamilie überlassen und auf Niue nur das N?tigste gekauft. Die Lebensmittelpreise in Niue waren n?mlich sehr teuer, weil fast alles aus Neeseeland importiert wurde. Wir freuten uns also über die vergleichsweise günstigen Preise in Tonga und füllten das Boot mit verschiedenstem Gemüse, einem riesigen Sack Sü?kartoffeln, Eiern, Ananas, Papayas und Bananen. In Neiafu trafen wir Karen und Graham von S/V Red Herring II, Gustav und Bj?rn von S/V Ronja und zu unserer gro?en Freude auch unsere Freunde aus Taravao Ava und Pajo mit ihrem Segelboot Cinderella. Mit Ava und Pajo segelten wir ungef?hr eine Woche zusammen und erkundeten gemeinsam die verschiedenen Buchten von Vava’u. Dabei besuchten wir Inseln mit exotischen Namen wie Mala, Kapa, Nuku, Ovaka und Avalau.

Ava und Pajo auf ihrer „Cinderella“
SOLEJA vor der Insel Nuku

Unser Alltag bestand aus Segeln, Kochen, Essen, Schnorcheln und Entspannen. Wegen ihrer Haltbarkeit sind unter Seglern Rezepte beliebt, die auf Fermentierung beruhen. Ava und Pajo zeigten uns, wie man koreanischen Kimchi und Sake herstellt, was wir beides in gro?en Mengen produzierten. Pajo und Laurent waren ganz versessen auf’s Fischen und erlegten fast t?glich ein paar Fische auf unseren Schnorcheltouren. Wir genossen also Papageienfisch als poisson cru – rohe Fischfiletstücke in Limettensaft und Kokosmilch – oder Rote Schnapper, knusprig in der Pfanne gebraten.

Stolz wie Bolle zurück von der Papageienfisch-Jagd mit der Harpune
„Naa, wer hat den gr??eren Fisch gefangen?!“

Ein Ausflug brachte uns zur Swallow’s Cave, einer gr??tenteils unter Wasser gelegenen Kalksteinh?hle, die nur mit Boot erreichbar ist. Hier ist es zu tief zum Ankern und es gibt auch keine M?glichkeit, das Dinghy festzumachen. Deswegen sprangen wir direkt von unseren Segelbooten ins Wasser, w?hrend jeweils einer an Bord blieb und das Boot von den Felsen fernhielt. Die Swallow’s Cave wird mit der Blauen Grotte auf Capri verglichen und ich kann verstehen, warum. Wir tauchten durch kristallklares, blaues Wasser und die in die H?hle einfallenden Sonnenstrahlen erleuchteten die Stalakmiten und Korallenformationen auf dem H?hlenboden. Ein silbrig gl?nzender Fischschwarm streifte durch die H?hle und stob auseinander, sobald man sich n?herte.

Eingang zur Swallow’s Cave
Im Inneren der Swallow’s Cave (Foto von Beau Pilgrim, http://www.beaupilgrim.com)

Besonders sch?n war unser Besuch auf der Insel Vaka’eitu. Hier lebte eine Familie, die uns zum umu einlud. Das ist das traditionelle Kochen von Speisen in einem Untergrund-Erdofen (?hnlich dem ahima‘a auf Tahiti). In Tonga wird dabei üblicherweise Fisch oder Hühnchen in Tarobl?ttern zubereitet und mit Alufolie (früher mit Bananenbl?ttern) umwickelt vergraben. Die Beilagen in Form von Yam, Taro oder Sü?kartoffeln werden ebenfalls im umu zubereitet. Gemüse spielt keine gro?e Rolle in der tongaischen Küche und wie in anderen polynesischen L?ndern sieht man den Menschen die kalorien- und kohlenhydratreiche Di?t an. Jedoch gelten übergewichtige Menschen in Tonga als sch?n. Samstagabend schlemmten wir uns also durch ein üppiges umu-Festmahl und begleiteten die Familie am darauffolgenden Sonntag zur Kirche. Die Tongaer sind sehr christlich und der Sonntag ist als Tag der Ruhe heilig. Nicht einmal Schwimmen oder Fischen ist sonntags erlaubt und das Sonntagsessen wird auch bereits am Samstag zubereitet. Die Tongaer, genauer gesagt die tongaischen M?nner, verbringen den Sonntag nach der Kirche damit, sich mit Kava zu berauschen. Wir fuhren also mit dem Boot der Familie zur Nachbarinsel Nuapapu und besuchten dort die Kirche im Dorf Matamaka. Der Gottesdienst war ehrlich gesagt ziemlich anstrengend, da er sich über 4 Stunden streckte und natürlich in Tongaisch abgehalten wurde, sodass wir nichts verstanden. Die Ges?nge waren allerdings sehr sch?n.

Mit dem Boot zur Kirche
Die Dorfstra?e von Matamaka
An manchen Stellen war Klettern angesagt.
Hier wurden wir zum Mittagessen nach der Kirche eingeladen.
… Das Essen war tongaisch angerichtet, aber super lecker! Rind und H?hnchen in Tarobl?ttern aus dem umu, gegessen wurde mit den H?nden.

Kulturelles Highlight für uns war die dem Gottesdienst vorausgehende Kava-Zeromonie. Das Trinken von Kava ist eine im westlichen Ozeanien weit verbreitete Tradition. Die Wurzel der Kava-Pflanze wird getrocknet, zersto?en und das Pulver dann mit Wasser angerührt getrunken. Kava wirkt muskelentspannend, hypnotisierend, beruhigend und euphorisierend. In Tonga wird das Ritual des Kavatrinkens faikava („Kava machen“) genannt und traditionellerweise dürfen nur M?nner das berauschende Getr?nk zu sich nehmen. Normalerweise ist nur eine Frau anwesend, die den M?nnern serviert. Getrunken wird das Gebr?u aus einer Kokosnussschale. Wir waren nun aber vier ausl?ndische Frauen. Neben Ava und mir waren noch eine US-Amerikanerin und noch eine Deutsche dabei (die vier M?nner waren Bootsarbeiten vorschiebend auf ihren Segelbooten geblieben). Zwar lie?en sich die anwesenden tongaischen M?nner (u.a. hohe Pers?nlichkeiten wie der chief des Dorfes und der Pfarrer) abwechselnd von uns Frauen servieren, aber wir durften auch trinken. Die schlammig aussehende Brühe schmeckte ziemlich bitter und mein Mund wurde sofort taub. Nach ein paar Sekunden fühlte ich meine Arme und Beine schlaff werden und ich fühlte mich wie von einem Curare-Pfeil getroffen. Auch mein Kopf wurde schwer und in mir breitete sich eine allgemeine Entspannung aus. Der Effekt hielt aber nicht sehr lange an. In den USA ist Kava tats?chlich als Mittel bei Angstst?rungen zugelassen, in Europa wurde es jedoch wegen Lebersch?dlichkeit vom Markt genommen. Im westlichen Ozeanien geh?rt es zum Alltag und nicht nur in den traditionellen D?rfern. In Noumea, der Hauptstadt von Neukaledonien, gibt es zum Beispiel Kava-Bars, wo sich die Leute wie sonst auf ein Bier zum Kavatrinken treffen.

Wie es sich geh?rt: Susanne serviert den M?nnern Kava.
So entspannt wie der Dorfpfarrer konnte ich nicht auf der harten Matte sitzen.

Zweite Amtssprache im K?nigreich Tonga ist Englisch, welches mehr oder weniger von den meisten Einwohnern beherrscht wird. Wir konnten uns also in gebrochenem Englisch mit unserer Gastgeber-Familie unterhalten und so einiges über das Leben in Tonga erfahren. Die meisten Tongaer leben von traditionellem Kunsthandwerk, Landwirtschaft oder Fischerei. „Unsere“ Familie lebte vom Korbflechten und vom Weben von Matten aus getrockneten Pflanzen, wobei die Handarbeit von den Frauen der Familie übernommen wurde. Die gewobenen Matten bedecken die B?den in den H?usern der Tongaer und sie werden auch zum Schlafen verwendet. W?hrend der Kava-Zeromonie sa?en auch wir im Schneidersitz auf einer dieser Matten, welche sich für untrainierte Stei?beine als ziemlich ungemütich herausstellte. Zu festlichen Anl?ssen tragen tongaische M?nner eine ta’ovala um die Hüfte gewickelt, welche auf gleiche Weise hergestellt wird wie die Matten. Bei Frauen bezeichnet man das Gegenstück als kiekie.

Festlich für die Kirche gekleidet mit ta’ovala und kiekie

Das Familienleben ist in Tonga sehr traditionell. Die Aufgaben sind klassisch aufgeteilt: Die Frauen sind für das Kochen, die Kindererziehung und Handarbeit zust?ndig und die M?nner für die Landarbeit und das Fischen. Die Tongaer bekommen viele Kinder. Unsere Gastgeberin zum Beispiel war Mutter von 11 Kindern. Sobald die M?dchen alt genug sind, helfen sie bei der Hausarbeit und der Betreuung ihrer jüngeren Geschwister mit und werden früh, manchmal noch minderj?hrig, verheiratet.

Tongaische M?dchen in ihren Kirchenkleidern

Ava und Pajo würden die Hurrikan-Saison in Neuseeland verbringen und segelten deswegen über die Ha’apai-Inseln Richtung Süden. Laurent und ich dagegen segelten nach insgesamt zwei Wochen in Vava’u weitere 510 Seemeilen in den Westen nach Fidschi. Beim Reisen mit dem Segelboot bekommt man ein ungef?hres Verst?ndnis für die gewaltigen Distanzen des Pazifiks. Kaum zu glauben, dass die Polynesier vor ein- bis zweitausend Jahren die gesamte Südsee – von Hawaii bis Neuseeland – mit Auslegerkanus erkundeten und besiedelten. Dabei navigierten sie mithilfe der Sterne und konnten die Lage von Inseln anhand der ?nderungen der Wellenformationen erkennen.

Traditionelles polynesisches Auslegerkanu, auf Tahiti va’a genannt

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