Leben auf einem Segelboot (Tahiti 2.0) – Juli 2019

Wie bereits erw?hnt, fiel es mir nicht so leicht, das Abenteuer des Alleinreisens vorzeitig aufzugeben und meinen geliebten Rucksack auf einem Segelboot zu verstauen. Andererseits war es auch sch?n nach 7 Monaten st?ndigen Ortswechsels und st?ndigen Ein- und Auspackens wieder einen dauerhaften Schlafplatz und etwas allt?gliche Routine zu haben. Nach der trockenen K?lte in den südamerikanischen Anden waren auch die 28°C Tagestemperatur (mit 22°C in der Nacht) und 80% Luftfeuchtigkeit ein gewisser Pluspunkt.

Laurent’s Segelyacht SOLEJA

Mein neues vorrübergehendes Zuhause war also eine Neptune 135 namens SOLEJA, eine 13,5 Meter lange Segelyacht franz?sischer Herstellung aus dem Jahr 1985. Den ersten Monat verbrachten wir vor Anker liegend in der Marina von Taravao. Das St?dtchen Taravao liegt an der Südostküste Tahitis, am ?bergang von Tahiti Nui (der gro?en Halbinsel) zu Tahiti Iti (der kleinen Halbinsel). In dieser kleinen Marina herrschte eine besondere, sehr entspannte und famili?re Stimmung und es war sch?n, Teil dieser kleinen (Aussteiger-)Gemeinde zu sein. Der soziale Mittelpunkt dieser bunt zusammen gewürfelten Truppe war Thomas, ein franz?sischer Tauchlehrer, der eine Tauchschule in der Marina betrieb und jeden Freitag zu feucht-fr?hlichen Abenden einlud. Dann gab es noch Tema, eine Tahitianerin, die in der Marina arbeitete; Rusty, einen pensionierten US-Amerikaner, der sich gerade den Traum eines eigenen Segelbootes verwirklicht hatte (ohne segeln zu k?nnen); Medhi und Karine aus Frankreich, die ihren Lebensunterhalt als Skipper und Hostess auf kommerziellen Segelyachten auf den Inseln Franz?sisch-Polynesiens verdienten und Ava und Pajo, ein P?rchen aus Seattle, die auf ihrem Segelboot „Cinderella“ um die Welt segelten. Jeden Freitagabend kamen wir also in der Tauchschule zu einer kleinen Party zusammen, auf denen viel Hinano Bier, tahitianischer Rum und selbst-gebrauter Sake getrunken und zu meinem Leidwesen viel Franz?sisch gesprochen wurde. Aber immerhin hatte ich viiiel Zeit mein Franz?sisch aufzufrischen. Laurent arbeitete ?fter auf der Werft am Katamaran eines Israelis, der auf ein Korallenriff aufgelaufen und sich ein Loch in den Schiffsrumpf gerissen hatte. In dieser Zeit las ich viel, lernte Franz?sisch oder suchte mir Projekte auf unserem Boot. So mistete ich zum Beispiel einige Schr?nke aus oder brachte deutsche Ordnung in die Organisation der Vorr?te. Laurent wurde au?erdem dafür bezahlt, Rusty das Segeln beizubringen. Also unternahmen wir ein paar Segelt?rns mit Rusty auf dessen schicker gro?er Segelyacht. Da Laurent die Segelunterrichtsstunden für Rusty auf Englisch abhielt, konnte ich auch einiges über Segeln lernen. Au?erdem verbrachten wir viele Nachmittage und Abende mit Medhi und Karine oder mit Ava und Pajo, bei denen wir leckeres Essen genossen (zum Glück geh?rt Tahiti zu Frankreich!) und über Gott und die Welt redeten. Dabei drehten sich viele Gespr?che um Segeln und Reisen allgemein, aber auch viel um Weltpolitik und andere gesellschaftliche Themen. Diese Segler sind tats?chlich ein sehr interessiertes, kritisches und offenes V?lkchen.

Lagune von Huahine mit umgebendem Korallenriff
Sonnenuntergang in der Marina
(Fast) jeden Abend ein sch?ner Sonnenuntergang

Obwohl ich die Routine und die konstanten sozialen Kontakte nach so vielen Monaten des Reisens genoss, wurde ich Taravao und der Marina nach 4 Wochen doch überdrüssig und ich dr?ngte Laurent dazu, zur Nachbarinsel Moorea zu segeln. Moorea ist für mich eine der sch?nsten Inseln Franz?sisch-Polynesiens mit hohen, scharfkantigen und mit dunkelgrünen W?ldern bewachsenen Bergen und kristallklaren türkisen Lagunen. Hier unternahmen wir Radtouren durch die Berge und durch T?ler mit Ananasstauden und Zuckerrohr, schnorchelten durch sch?nste Korallen begleitet von bunten Rifffischen wie Papageienfischen, Rochen und Riffhaien und verbrachten sch?ne Abende mit anderen Seglern. Es ist wirklch erstaunlich, wie klein die Weltumsegler-Community ist. Oft kam es vor, dass Laurent ein Boot in der Bucht sah und sagte: „Hey, das ist Jorge aus Spanien mit seiner argentinischen Freundin! Die kenne ich aus Kolumbien.“ Die Route um die Welt ist n?mlich meistens ?hnlich: Von Europa geht es durch Gibraltar über die Kanaren und Kap Verde in die Karibik, dann über verschiedenste Karibikinseln nach Kolumbien und nach Panama durch den Panamakanal und von dort über den Pazifik zu den Marquesas in Franz?sisch-Polynesien. Von Franz?sisch-Polynesien geht es üblicherweise weiter nach Fidschi, entweder entlang der südlichen Route über Cook und Tonga oder über die n?rdliche Route über Samoa. Der Südpazifik ist mit seinen abgelegenen palmenbesetzten Inseln mit wei?en Sandstr?nden ein wahres Seglerparadies. Viele der Weltumsegler bleiben deswegen dauerhaft hier. Wie auch in der Karibik gibt es aber auch im Südpazifik Hurrikan-Saisons, in denen man sein Boot irgendwo sicher unterbringen sollte. Dafür gibt es sogenannte hurricane holes, das sind Buchten, die ringsum von ausreichend hohem Land umgeben sind, um die vor Anker liegenden Boote aus allen Richtungen vor Wind und Wellen zu schützen. Sicherer ist es aber, die Hurrikan-Gebiete zu verlassen. Deswegen verbringen viele Segler des Südpazifiks diese Saisons in Neuseeland. Jedenfalls trifft man sich auf der typischen Weltumsegler-Route oft wieder. Und wenn man mal in eine Bucht einl?uft und kein Boot wieder erkennt, h?lt man einfach nach den Segelbooten Ausschau, die Vorratskanister an Deck haben und durch die st?ndige Exposition mit Sonne und Salzwasser etwas abgeranzt aussehen. Et voilà – schon hat man die Weltenbummler ausfindig gemacht. Dann f?hrt man im Dinghy einfach mal rüber, wird in der Regel auf einen Kaffee oder ein Bier eingeladen und kommt über das übliche „Und, was ist eure Geschichte?“ ins Gespr?ch. Man k?nnte n?mlich denken, das Seglerleben sei einsam, ist es aber gar nicht.

Opunohu Bucht auf Moorea
Anstrengende Radtour mit Aussicht auf die Opunohu Bucht (links; wo SOLEJA lag) und die Cook’s Bucht
Dinghy Parkplatz unter Palmen

Das Leben auf einem Segelboot ist einzigartig. Das Sch?nste daran für mich ist, dass es ein Leben mit der Natur ist. Man ist Wind und Wetter ausgesetzt und man passt seinen Tagesrhythmus dem Rhythmus der Sonne an. Mein Tag fing meistens damit an, dass ich gegen 5.00 Uhr von Laurent’s Geschepper mit der Kaffeekanne aufgewacht bin. Dann habe ich mich nochmal im Bett umgedreht und bin mit dem Sonnenaufgang gegen 6.30 Uhr aufgestanden. Die ersten Stunden des Morgens verbrachten wir meist schweigend, wobei ich entweder gelesen habe, franz?sische Vokabeln lernte oder einfach nur aufs Wasser hinaus schaute. Zum Frühstück gab es – wie in Frankreich üblich – Brot mit Butter und Marmelade. Unser Brot backten wir alle 2 bis 4 Tage selbst. Nach dem Frühstück gingen wir dann unseren Projekten nach. Zum Einkaufen sind wir mit dem Fahrrad zum Carrefour-Supermarkt in Taravao geradelt und haben auf dem Rückweg frischen Thunfisch bei den einheimischen Fischern an der Stra?e gekauft. Die erste Portion haben wir prinzipiell roh in Form von Sashimi gegessen. Wenn man vor Anker in der N?he einer Stadt liegt, ist das Nahrungsmittelangebot ?hnlich dem der Zivilisation. In Franz?sisch-Polynesien haben wir unsere Lebensmittel meist im Supermarkt gekauft, sp?ter auf Tonga und Fidschi auf lokalen M?rkten. Auf See oder in abgelegeneren Buchten gab es dann weniger frische Produkte. Ein Grundstock an Mehl, Reis, Nudeln, Bohnen und Linsen war immer vorhanden und wir deckten uns vor l?ngeren Etappen in die Ein?de mit langlebigem Gemüse wie M?hren, Kohl oder Kürbis ein. Irgendwann war aber auch das verbraucht und wir mussten auf Dosengemüse zurückgreifen. Frische Sachen wie K?se, Joghurt oder Milch gab es nur für einige Tage nach Supermarktbesuch – also nicht sooft – und waren deswegen Luxusartikel. Umso mehr haben wir uns dann gefreut, wenn wir mit der Harpune einen Fisch erlegen konnten. Wir hatten einen 550 Liter Wassertank an Bord von SOLEA, welcher knapp einen Monat für 2 Personen reichte. Einmal im Monat mussten wir also eine Sü?wasserquelle finden, um den Tank aufzufüllen. Die Spüle in der Küche hatte drei Wasserh?hne: einen für Salzwasser, einen für ungefiltertes Sü?wasser und einen für gefiltertes Sü?wasser zum Trinken. Um Wasser zu sparen, verwendeten wir, sooft es ging, das Salzwasser aus dem Meer – zum Abwaschen und zum Kochen zum Beispiel. Die Dusche war ein Gartenschlauch am Heck des Bootes, also eine Kaltwasser-Freiluft-Dusche. Es gab zwei Toiletten an Bord, welche mit Handpumpe bedient wurden, die das Meerwasser zur Spülung hinaufpumpten. Zur Stromgewinnung war SOLEJA mit Solarplatten und einem Windrad ausgestattet. Bevor man also den Fernseher einschaltete oder den Staubsauger anschmiss, ging immer ein routinem??iger Blick zur Stromst?rkeanzeige der Batterie. Da es aber in der Südsee üblicherweise nicht an Sonne oder Wind mangelt, hatten wir diesbezüglich kaum Probleme. Und wenn doch, gab es noch einen Notfallgenerator. Fernsehprogramm oder Internet gab es nicht, aber Laurent hatte mehrere Festplatten voll mit englischen und franz?sischen Filmen, sodass wir unsere Abende meist mit Filmschauen verbrachten, wenn wir keinen Besuch hatten. Abendessen gab es meist schon gegen 18 Uhr, da die Sonne in den Tropen 18 Uhr untergeht und es dann schnell dunkel wird. Und weil sich alle Mahlzeiten wegen des frühen Frühstücks nach vorne verschoben. Den Film schalteten wir gegen 19 Uhr ein und ab 21 Uhr ging es ins Bett. Verrückt, wie sich der Tagesrhythmus in den Tropen ?ndert. Aber auf einem Segelboot macht es wirklich Sinn, mit der Sonne zu leben. Und es war sch?n, sich die Abende mit sinnvolleren Aktivit?ten zu vertreiben. Entweder haben wir interessante Gespr?che geführt (mit uns oder mit Segelfreunden), haben einen Film geschaut oder gelesen. Oder geschlafen. Kein ewiges Zeitvergeuden im Internet und kein TV-Gezappe.

Der Kapit?n auf dem Aussichtsposten
Blick in den Bug: Salon mit Küche (rechts) und „Chart table“ mit GPS, Funkger?t, Radar etc. (links)
Küche mit Gasherd, Tür in eine der drei Doppelkajüten (Mitte) und Treppe ins Cockpit
Badezimmer
Cockpit

Bevor wir Franz?sisch-Polynesien verlie?en, hatten wir für 2 Wochen im Rahmen einer Chartertour ein amerikanisches Paar zu Gast an Bord. Wir zeigten Catherine und Greg unsere Lieblingsecken der franz?sisch-polynesischen Inseln, die wir im M?rz entdeckt hatten. Wir segelten also noch einmal über Moorea, Huahine und Tahaa nach Bora Bora. Auf Moorea erklommen wir einen Berg mit wundersch?ner Aussicht auf die Opunohu Bucht und schnorchelten mit Stachelrochen und Haien. Da die Stachelrochen an dieser Stelle für die Touristen gefüttert werden, waren sie überhaupt nicht scheu und kletterten regelrecht an uns Menschen hoch. Nicht ganz ungef?hrlich und ein bisschen eklig fand‘ ich den Anblick der flachen Rochengesichter mit ihren gierigen M?ulern auch. Der Rochen stellt einen der Schutzgeister für die Polynesier dar und so haben wir dort Tahitianer gesehen, die innig mit ihnen kuschelten. Das war wiederum witzig.

Blick auf Opunohu Bucht (eines der Boote ist SOLEJA)
Wei?e Sandstr?nde, Palmen…
und glasklares, warmes Wasser

Auf dem 12-stündigen Segelt?rn von Moorea nach Huahine sahen wir am frühen Morgen Buckelwale in der N?he unseres Bootes. Catherine, Greg und ich wurden von den aufgeregten Rufen von Laurent geweckt und konnten dann mit einem Kaffee in der Hand das Spektakel beobachten. Auf Huahine besuchten wir marae, alte polynesische Tempel, deren Alter und Zweck noch immer umstritten sind, und fütterten blinde Aale mit blauen Augen. Diese Aale gibt es angeblich nur in diesem einen Fluss in dem Dorf Faie auf Huahine und sie gelten dort als heilig, da sie die Seelen der verstorbenen Inselbewohner verk?rpern sollen. Wenn ich die auf Menschen kletternden Rochen schon eklig fand, waren diese blinden riesigen Kreaturen wirklich widerlich. An einem Sonntag gingen wir zu ma’a tahiti, einem traditionellen Sonntagsfest nach der Kirche, wo verschiedene polynesische K?stlichkeiten in einem Erdofen (Ahima’a) zubereitet wurden, zum Beispiel Poisson cru, Riesenmuscheln, Taro, Brotfrucht und Kochbananen. Typische Gewürze sind Vanille und Kokos(milch). Das Essen wurde musikalisch begleitet von Ukulele-spielenden dicken Tahitianern. Insgesamt war es also schon touristisch, aber trotzdem sch?n und vor allem lecker.

marae (Tempel) in Maeva, Huahine
Heiliger Aal in Faie, Huahine
Avea Bucht, Huahine
Sonntags ist der Tag für ma’a tahiti

Auf der Segeletappe von Huahine nach Tahaa kam eine Gruppe Delphine vorbei, um mit unserem Boot zu spielen. Wir beobachteten sie eine Weile und dann wollten Catherine und ich mit ihnen schnorcheln. Leider ergriffen sie die Flucht, als ich in meiner Eile unbeholfen mit den Flossen ins Wasser klatschte. Aufgeben wollten wir nicht sofort, also schmiss Laurent ein Seil ins Wasser, an dem Catherine und ich uns festhielten, und so wurden wir hinter dem Boot hergezogen, w?hrend es auf der Suche nach den Delphinen durch die Bucht zirkelte. Die Delphine fanden wir leider nicht wieder, aber mit ca. 10 km/h durch eine türkisblaue Lagune gezogen zu werden, machte auch Spa?! Auf Tahaa unternahmen wir eine Wanderung quer über die Insel durch die dichte tropische Vegetation mit Kokospalmen und Bananenstauden. Ab und zu lichtete sich das dichte Grün und wir hatten tolle Aussichten auf leuchtend türkise Buchten. Wir schnorcheltem im Jardin du corail (Korallengarten), das ist ein Kanal zwischen zwei der vielen kleinen motus (Inseln), die den Korallenring um Tahaa’s Lagune s?umen. Hier herrscht eine ziemlich starke Str?mung, sodass man sich einfach durch das Wunderland voller bunter Fische und Korallen treiben lassen kann.

Besuch von Delphinen
Wanderung durch das dichte Grün
motus (Inseln) auf dem die Lagune umgebendem Korallenriff

Den Abschluss des Segelt?rns mit Catherine und Greg bildete Bora Bora. Obwohl mit Abstand die touristischste der Inseln Franz?sisch-Polynesiens, ist Bora Bora trotzdem eine Südsee-Trauminsel aus dem Bilderbuch. Besonders eindrücklich ist das markante zentrale Felsmassiv, welches von Wolken umspielt wird und aus jedem WInkel anders aussieht. Und natürlich die glasklare türkis-blaue Lagune… aber das traumhaft sch?ne Wasser habe ich ja schon ?fter erw?hnt. Daran konnte ich mich aber auch nach Monaten in der Südsee nicht sattsehen.

Mount Otemanu auf Bora Bora
Und noch einmal: die unglaublich klare und hellblaue Lagune von Bora Bora

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