Argentinien

Von Valparaíso fuhr ich mit dem Bus nach Mendoza in Argentinien und konnte w?hrend der 8-stündigen Fahrt über die Anden steile Berge, tiefe Canyons und weite, karge Hochebenen bewundern. Die Passüberquerung war besonders spannend. Mühelos schlengelte sich unser Bus in Haarnadelkurven den Berg hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Die Fahrt führte an mehreren Sechstausendern vorbei, auch am Aconcagua, der mit 6961 m der h?chste Berg au?erhalb von Asien ist.

Die Passüberquerung in den Anden
Menschenleere Wüsten

Bei der Ankunft in Argentinien fielen mir zwei Umst?nde besonders auf: Zum einen fühlte ich mich wegen der hellh?utigen Menschen und der europ?ischen Architektur wie in Europa und zum andern waren die Preise wegen der starken Inflation sehr günstig. Die Argentinier stammen gr??tenteils von europ?ischen Einwanderern ab, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Argentinien kamen, wobei die meisten Einwanderer aus Italien und Spanien stammten. Zusammen mit den indigenen Einflüssen der Inka ergibt das eine sehr interessante Mischung von Kulturen. Der italienische Einfluss ist jedoch am auff?lligsten. ?berall findet man Pizza und Pasta, das helado (Eiscreme) gilt als eines der besten weltweit und ein sehr beliebtes Getr?nk ist Fernet mit Cola. Auch die Weinkultur wurde von den Italienern gepr?gt. Zwar wurde um Mendoza schon vor Ankunft der Einwanderer Wein angebaut, jedoch in gro?en Mengen und von schlechter Qualit?t. Erst die Italiener brachten die Traditionen der Weinherstellung nach Argentinien und gründeten viele der heute bestehenden Weingüter. Au?erdem f?llt in Gespr?chen mit Argentiniern auf, dass sie die gleichen ausdrucksstarken Gesten wie Italiener benutzen und im Englischen klingt auch der Akzent (besonders der Einwohner von Buenos Aires) Italienisch. Im Gegensatz zu den sch?nen Landschaften und der positiven Lebensart der Argentinier steht die kriselnde wirtschaftliche Lage des Landes. Schon 2001 befand sich Argentinien in einer enormen Finanzkrise, damals war das gesamte Land bankrott. In den folgenden Jahren hat es sich ein wenig erholt, doch in letzter Zeit geht es wieder in schnellen Schritten bergab. Im April war 1 Euro noch 40 Pesos wert und im Mai hat man für 1 Euro schon 50 Pesos bekommen. Gewohnheitsgem?? vertrauen die Argentinier ihrer W?hrung nicht und t?tigen deswegen ihre Spareinlagen in Dollar, am besten in ausl?ndischen Banken. Das hilft der argentinischen Wirtschaft natürlich auch nicht. Ein Tourguide spa?te, dass wir ihn in jeder W?hrung au?er dem venezuelanischen Bolívar und der türkischen Lira bezahlen k?nnten, da alle W?hrungen bis auf diese zwei stabiler seien als der argentinische Peso. Es war bewundernswert, wie humorvoll die Argentinier mit ihrer wirtschaftlichen Lage umgingen. Als ich einen jungen Argentinier darauf ansprach, meinte dieser, dass sie einfach nichts anderes gewohnt seien. Er fand es eher bemerkenswert, dass ich keine Inflation kennen würde.

Was in Argentinien noch auff?llt, ist eine omnipr?sente Fu?ballbesessenheit, wie ich sie in noch keinem anderen Land erlebt habe. In jedem Restaurant und jedem Café l?uft ein Fernseher mit Fu?ball und die gro?en Nationalhelden sind Messi und Maradona, wobei die Verehrung für Maradona noch gr??er ist. Bei meinem Spanischkurs in Buenos Aires haben wir am ersten Tag geübt, sich vorzustellen: „Aus welchem Land kommst du?“ – „Ich komme aus Deutschland.“, „Aus welcher Stadt kommst du?“ – „Ich komme aus Halberstadt.“, „Von welcher Mannschaft kommst du?“ – „Mannschaft? Ich habe keine Mannschaft.“ Da wurde ich direkt belehrt, dass ich das in Argentinien nicht sagen dürfe. Mein Lehrer empfahl mir, ein kleines unbedeutendes Team zu nennen, wenn ich die Fu?ballkonversation beenden wollte, denn über die gro?en deutschen Teams h?tten die Argentinier wahrscheinlich etwas zu sagen. Okay, dann also Germania Halberstadt.

Eine Pizzeria in Buenos Aires
Heiligenartige Darstellung von Maradona in Buenos Aires im Viertel La Boca, für dessen Fu?ballverein Boca Juniors er in jungen Jahren spielte

In Mendoza habe ich drei Tage verbracht. Die Stadt wurde 1861 durch ein Erdbeben komplett dem Erdboden gleich gemacht. Beim Wiederaufbau entstand eine geplante Stadt im Schachbrettmuster und es wurden breite Alleen und gro?e Plazas angelegt, um die Stadt erdbodensicherer zu machen. Au?erdem wurden viele mediterrane B?ume gepflanzt. Das alles macht Mendoza ganz hübsch, aber ich fand es eher langweilig. Ich bevorzuge chaotische, historische St?dte wie Valparaíso. Mendoza ist für seinen Rotwein Malbec bekannt und für mich als Liebhaberin von schweren trockenen Rotweinen war die ganzt?gige Tour durch die Weinberge das absolute Highlight. Wir waren zu viert in einem Van unterwegs, haben 4 Weingüter besucht und insgesamt 19 Weine verkostet. Der Guide hatte vorher schon angekündigt, dass wir pro Weingut 3 bis 4 Weine probieren würden und deswegen habe ich vorsorglich von Anfang an die Wei?weine ausgespuckt. Auch bei den Rotweinen habe ich gro?zügig ausgespuckt, was mich nicht total begeistert hat (das waren allerdings nicht viele Weine). Wir sprengten am Ende die geplante Anzahl von Weinen, weil die übermotivierte Führerin vom letzten Weingut uns mit leeren Gl?sern von Fass zu Fass führte und wir die Weine direkt vom Zapfhahn verkosteten.

Weingut in Mendoza

Noch wichtiger als Wein ist in Argentinien jedoch der Mate Tee. Die Argentinier trinken dieses Gebr?u den ganzen Tag und schleppen überall ihre Thermoskanne mit hei?em Wasser und ihren Matebecher mit integriertem Strohhalm herum. Ich fand dieses bittere, nach Gras schmeckenden Getr?nk echt eklig, aber es ist ein nettes Ritual, den Becher in der Runde herum gehen zu lassen. Je ?fter man die Kr?uter mit Wasser aufgie?t, desto weniger bitter wird der Tee. Neben Mate sind die Argentinier au?erdem verrückt nach Dulce de leche, einer extrem sü?en Karamell-Sauce, die sich in jedem sü?en Geb?ck versteckt. Diese Leidenschaft konnte ich auch nicht nachvollziehen. Das Rindfleisch Argentiniens wird jedoch zurecht gelobt. In den drei Wochen in Argentinien habe ich wahrscheinlich mein K?rpergewicht in Steaks verdrückt und kam mir manchmal ziemlich feudal vor, wenn ich in schicken Restaurants hochqualitatives Rinderfilet (mit Wein und Dessert) für 15 verspeist habe. Zum Mittag habe ich oft Empanadas gegessen – das sind mit Rind, H?hnchen oder K?se gefüllte Teigtaschen. Super lecker! Aber mein Soll an rotem Fleisch habe ich für dieses Jahr erfüllt.

Leckere Empanadas!

Von Mendoza fuhr ich mit dem Nachtbus weiter nach Córdoba. Diese Busse sind ganz cool. Wenn man full-cama (cama = Bett) bucht, reist man in einem ziemlich bequemen, breiten Ledersessel mit Fu?stütze, dessen Lehne man auf ca. 30° Grad zurücklehnen kann. So konnte ich auch ohne Schlaftablette ziemlich gut schlafen. Córdoba ist die zweitgr??te Stadt Argentiniens und Sitz der ?ltesten Universit?t Südamerikas. Mit seinen sieben Universit?ten und somit gro?er Anzahl von Studenten herrscht in Córdoba eine besondere Stimmung. Hier wird besonders viel Fernet mit Cola getrunken und die jungen Leute tanzen zu Cuarteto-Musik – argentinischer Pop, der in Córdoba erfunden wurde. Ich hatte die Ehre, den Tanz zusammen mit unserem Tourguide vorzuführen… war ganz witzig.

Plaza San Martin in Córdoba

Mein n?chster Stopp war Salta im Norden von Argentinien. Der Inflation sei Dank konnte ich super günstig fliegen (für 35 !). Hier sah es schon anders aus als im Rest von Argentinien. In den Gesichtern der Menschen war der indigene Einfluss der Inka deutlicher sichtbar und die Stadt wirkte insgesamt ?rmlicher, war aber trotzdem echt hübsch. Salta liegt in einem Tal an den Ausl?ufern der Anden, über welche man vom Hügel San Bernardo einen sch?nen Ausblick hat. Das Museo de Arqueología de Alta Monta?a zeigt eine sehr interessante Ausstellung über die Inkakultur, welche sich auf Kinderopfer konzentriert, die auf den h?chsten Gipfeln der Anden dargebracht wurden. 1999 wurden auf dem Gipfel des Vulkans Llullaillaco drei mumifizierte K?rper von Kindern entdeckt. Im Wechsel von 6 Monaten wird jeweils eine dieser Mumien hier ausgestellt. Von Salta aus kann man verschiedene Ausflüge in die Umgebung machen. In den unendlichen Wüsten finden sich hohe Berggipfel, rote und zum Teil regenbogenfarbene Felsformationen, unz?hlige meterhohen Kakteen und frei laufenden Guanokos (wilde Lamas) und Vicu?as (wilde Alpakas). Wir sind zu den Salinas Grandes (gro?e Salzpfannen) und nach Purmamarca mit dem Cerro de los Siete Colores (Hügel der Sieben Farben) gefahren. Auf dieser Tour war ich mit einer deutschen Freundin, die ich in Valparaíso kennen gelernt hatte, und mit einem Iren unterwegs.

Street Art in Salta: Darstellung einer indigenen Frau mit Kakteen und Lama
Rissige Fassaden und verlassene Stra?en
Stereotypische meterhohe Kakteen – so stellt man sich Argentiniens Wüsten vor!
Cerro de los Siete Colores in Purmamarca
Unendliche Weiten auf mehreren Tausend H?henmetern. Am Ende des Tages hatte ich leichte Kopfschmerzen.
Die Salinas Grandes – im Vergleich zur Salzwüste in Uyuni in Bolivien jedoch eher klein sehr
Ein bisschen Herumalbern in der Mondlandschaft

An einem anderen Tag bin ich von Salta südw?rts nach Cafayate gereist. Cafayate ist neben Mendoza die zweitwichtigste Weinregion Argentiniens. Hier wird vor allem der Wei?wein Torronté angebaut. Für einen Wei?wein war er nicht schlecht, aber ich bevorzuge definitiv den Malbec aus Mendoza. Hier lernte ich ein Mutter-Tochter-Paar aus Buenos Aires kennen, die ich sp?ter auch besuchte.

Auf dem Weg nach Cafayate
Weinreben in den Bergen
Faszinierende riesige rote Felsformationen…
… lie?en mich winzig fühlen.

Von Salta ging es weiter nach Buenos Aires, wo ich einen einw?chigen Spanisch-Sprachkurs gebucht hatte. Eine nette ?berraschung war, dass ich statt der gebuchten 20 Stunden in einer Klasse 10 Einzelstunden für den gleichen Preis bekam, da ich die einzige komplette Anf?ngerin war. Dank meiner Franz?sisch- und Lateinkenntnisse konnte ich mir am Ende der Woche beim H?ren vieles zusammenreimen, wenn jemand langsam und deutlich sprach. Das war natürlich nur bei meinem Spanischlehrer der Fall, denn die Leute im Alltag sprachen schnell und undeutlich. Au?erdem klingt das argentinische Spanisch sehr eigen und selbst manche Spanier sollen Probleme haben, die Argentinier zu verstehen. In der Realit?t sah es also so aus, dass ich stolz mit einer zurecht gelegten Frage an die Einheimischen herantrat und dann die Antwort nicht verstand.

Mond?nit?t in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires

Buenos Aires ist wirklich eine spannende Stadt und wird zurecht als das „Paris Südamerikas“ bezeichnet. Das liegt an den vielen europ?isch gepr?gten imposanten Geb?uden, welche Ende des 19. Jahrhunderts von den regierenden Oligarchen errichtet wurden, um zu demonstrieren, dass Argentinien mit den führenden L?ndern Europas mithalten konnte. Die meisten dieser historischen Geb?ude befinden sich um Zentrum der Stadt. Zentraler Platz ist der Plaza de Mayo, wo Kundgebungen und Demonstrationen abgehalten werden. Jeden Donnerstagnachmittag seit 1977 kann man hier die Madres (Mütter) de la Plaza de Mayo beobachten. Argentinien litt von 1976 bis 1983 unter einer Milit?rdiktatur, in welcher ca. 30.000 Menschen „verschwanden“, d.h. ermordet wurden. Die Madres de la Plaza de Mayo waren die Mütter der Verschwundenen, welche zu den wenigen mutigen Menschen geh?rten, die ?ffentlich protestierten und Informationen über den Verbleib ihrer Kinder einforderten. Das Versammlungsverbot von mehr als zwei Leuten umgingen sie dadurch, dass sie eingehakt in Paaren um den Obelisken in der Mitte des Platzes marschierten. Unter den Verschwundenen waren ca. 500 schwangere Frauen, deren Kinder nach der Geburt von den Milit?rs zwangsadoptiert wurden. Die Gro?mütter dieser verschwundenen Kinder k?mpfen als Abuelas de la Plaza de Mayo bis heute für die Identifikation ihrer Enkel. Sie bewirkten die Einrichtung einer DNA-Datenbank, in der sich 36- bis 43-J?hrige testen lassen k?nnen. Vor einigen Wochen wurde so Enkelin Nr. 129 in Spanien gefunden. Die Madres und Abuelas de la Plaza de Mayo demonstrieren auch heute noch für die Aufkl?rung der Milit?rverbrechen und gegen Menschenrechtsverletzungen (von den ursprünglichen Teilnehmerinnen sind noch 8 Frauen am Leben und aktiv). Ihr Symbol ist das wei?e Kopftuch, welches man überall in Argentinien auf den Boden gemalt findet.

Plaza de Mayo – Der Name bezieht sich auf die Mai-Revolution im Jahr 1810, die zu Argentiniens Unabh?ngigkeit führte.
Die mutigen Madres de la Plaza de Mayo k?mpfen bis heute für Freiheit und Gerechtigkeit.

Neben dem Zentrum gibt es in Buenos Aires noch andere Viertel, die sich sehr stark voneinander unterscheiden. Im Norden der Stadt liegen das hippe Palermo und das wohlhabende, konservative Recoleta. Im Süden und „wahrem Buenos Aires“ lebt die Arbeiterklasse in den Vierteln San Telmo und La Boca. Palermo ist ein bunter Stadtteil mit viel politischer Street Art, grünen Parkanlagen und trendigen Restaurants und Bars. Hier konzentriert sich das Nachtleben von Buenos Aires.

Street Art im hippen Palermo
Ein Fu?ball spielender Stra?enjunge als Symbol für die Stra?en von Buenos Aires

Mein Hostel und meine Sprachschule lagen in Recoleta, meiner Meinung nach das langweiligste Viertel von Buenos Aires, da es in jeder beliebigen europ?ischen Gro?stadt h?tte liegen k?nnen. Aber wenigstens konnte ich mich hier ohne Angst am Abend bewegen, da ich zuvor oft vor den unsicheren Stra?en von Buenos Aires gewarnt wurde. Das einzig Spannende in Recoleta war der riesige Friedhof. Dieser Cementorio ?hnelt einer Totenstadt, in der man sich in den Gassen zwischen den über 6.000 Marmormausoleen schnell verlaufen kann. Hier werden seit Ende des 19. Jhrds. die Wichtigen und Berühmten der Stadt begraben, deren Familien sich in Prunk und Reichtum gegenseitig übertreffen wollten, sodass die beeindruckendsten Mausoleen und Statuen entstanden. Auf engstem Raum findet man Kapellen in den Stilen von Gothik, Barock oder Renaissance, griechische Tempel und m?rchenhafte Grotten. Auf einer geführten Tour habe ich tragische und lustige Geschichten über die Verstorbenen geh?rt: von der lebendig begrabenen 17-j?hrigen Rufina; einem sich hassenden Ehepaar, dessen gegenseitige Verachtung man in der Gestaltung des Grabes erkennen konnte und die Geschichte, wie Evitas Leichnam quer durch Argentinien, nach Italien, Spanien und zurück gereist ist. Eva Perón, Evita, war die Ehefrau von Argentiniens Pr?sident Juan Perón und wird bis heute vor allem für ihre karitative Arbeit und ihren Kampf für Frauenrechte verehrt. Sie starb 1952 mit 33 Jahren an Geb?rmutterhalskrebs und ihr Grab in Recoleta ist noch heute mit Blumen und Botschaften geschmückt. Die Peróns sind sehr umstritten. Trotz einiger Recherche konnte ich die Politik von Juan Perón nicht ganz begreifen. Einerseits hat er mit vielen Sozialprogrammen die Situation der Arbeiterklasse verbessert, andererseits trug seine Regierung eindeutig faschistische Züge: er unterdrückte die Presse- und Versammlungsfreiheit und war ein Bewunderer von Hitler und Mussolini. Bis heute ist der Peronismus eine politische Kraft in Argentinien. Die Pr?sidenten von 2001 bis 2015 geh?rten der peronistischen Partei an und da die Argentinier sehr gerne und leidenschaftlich über Politik reden, ist mir dieser Begriff oft begegnet.

Der berühmte Friedhof in Recoleta
Der Geist der versehentlich lebendig begrabenen, jungen Rufina soll einer Legende zufolge in einem langen wei?en Kleid jede Nacht auf dem Friedhof umher wandeln.
Evita’s Grab – hier wurde die Pr?sidentengattin erst 24 Jahre nach ihrem Tod und nach einer langen Odyssee durch verschiedene L?nder beigesetzt.

Mein Lieblingsviertel war San Telmo. Früher war es ein elegantes Viertel, doch nach einer Gelbfieberepidemie im Jahr 1871 zogen die Reichen in den Norden der Stadt ins heutige Recoleta. Die verlassenen H?user wurden in viele kleine Wohnungen unterteilt und an die armen Einwanderer vermietet. Heute findet man hier hübsche verfallende H?user, Kopfsteinpflasterstra?en und Ateliers. Auf dem wundersch?nen Plaza Dorrego herrscht eine seltsame altmodische Stimmung und man kann Tangot?nzer beobachten. Der Tango soll in den 1880er Jahren in den überfüllten Mietskasernen in San Telmo und La Boca entstanden sein. In Argentinien selbst galt der Tanz lange als unanst?ndig, bis der Tango-S?nger Carlos Gardel ihn Anfang des 20. Jhrd. weltweit bekannt machte.

Tango auf dem Plaza Dorrego in San Telmo
Der Reichtum und die Eleganz aus alten Zeiten sind in San Telmo noch zu erkennen.
Heute ist es ein alternatives Künstlerviertel.

In Südamerika war eine der ersten Reaktionen von anderen Reisenden oder Einheimischen, mich vor bestimmten St?dten und Gegenden zu warnen, wenn sie erfuhren, dass ich alleine reiste. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich ausgeraubt werden würde. Vor dem Viertel La Boca wurde ich besonders eindrücklich gewarnt. Ich fuhr mit dem Bus dorthin und die Frau, die ich an der Bushaltestelle nach dem richtigen Bus gefragt hatte, betonte auch nochmal, wie gef?hrlich La Boca sei und dass ich doch lieber nach Puerto Madero fahren solle (ein moderner Stadtteil am Hafen mit schicken Wolkenkratzern). Sie machte sich sogar nochmal die Mühe, sich im Bus durch die Menschen zu mir zu k?mpfen, um mir zu sagen, ich solle mein Bargeld in der Unterw?sche verstecken. Na super. Ich verfolgte die Busfahrt auf dem Handy und wollte so lange wie m?glich sitzen bleiben, um dicht am Treffpunkt der geführten Tour auszusteigen. Das führte dazu, dass ich in der Busgarage landete. Dann bin ich wie ein gehetztes Tier von der Garage zum Treffpunkt geeilt und war erleichtert, als ich im Touristenschwarm des Caminito untertauchen konnte. El Caminito ist mit seinen farbenfrohen Wellblechh?usern die Hauptattraktion von La Boca und ich fand es schrecklich. Neben kitschigen Souvenirs posierten verkleidete Tangot?nzer, Maradona-Double stellten sich für gemeinsame Fotos auf und die Kellner der überteuerten Restaurants rannten den Touristen wild gestikulierend hinterher, um sie in ihr Restaurant zu zerren. Zum Glück haben wir uns mit der geführten Tour auch au?erhalb der Touristenmeile bewegt und das wahre Gesicht von La Boca gesehen. Zwar war die Armut dieses Arbeiterviertels deutlich sichtbar, aber es hat trotzdem charmante Ecken. Au?erdem war es für mich als Geschichtsfreak interessant, denn im ehemaligen Hafen von La Boca kamen die Einwanderer an, die das Land bis heute pr?gen, wobei die ?rmsten der Armen unter schlechtesten hygienischen Bedingungen am Hafen lebten. Wir sind bis zu dem Stadion des Fu?ballclubs Boca Juniors gelaufen, dem St. Pauli von Buenos Aires. Wenn die Fans nicht mit ihren Spielern zufrieden sind, fliegen hier auch gerne Urin-gefüllte Beutel über die K?pfe der Leute hinweg. Trotz des touristischen Caminito hat mich La Boca positiv überrascht und es ist schade, dass man sich das Erleben durch Angst beeintr?chtigen l?sst. Diese unterbewusste Angst sollte mich auch noch in Rio de Janeiro begleiten.

Die berühmten Wellblechh?user von El Caminito
Im Jahr 1882 riefen die aus Genua stammenden Hafenarbeiter im Rahmen eines Streiks die unabh?ngige Republik La Boca aus.
Au?erhalb der Touristenmeile des Caminito ist La Boca ?rmlich und als Viertel mit hoher Kriminalit?t bekannt.

2 Kommentare zu „Argentinien“

  1. Du hast wieder soooo sch?n geschrieben,mein liebes Annakind! Freue mich sehr auf unsere Reise und darauf:dich ganz fest in die Arme zu nehmen. Gestern war Kindertag…alles Gute,Dir,talentierten ?rztin auf Abwegen.
    Mit Eva und Ferdi konnte ich,in einem Café Corfu‘s sitzend,telefonieren und erfahren:“unser Kindertag ist toll..wir haben Zweifelderball mit Bella,Nino,Moritz und den Papas gespielt…au?erdem gab es neue Pokèmonkarten mit super Entwicklungen…“ Heute wird in Burkersdorf Oma Isoldes 90. gefeiert.
    Pass weiter so gut auf dich auf
    Liebe Grü?e Mama und Papa XXX

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  2. Wieder ein toller und packender Bereicht. Da will mal gleich wieder mit! Sorry wegen dem versp?tetem Komentar. Wusste bis jetzt gar nicht, dass du so geschichtsinteressiert bist ?

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